Torben Fischer versus Carlo Amodeo oder: naturnahe Bienenhaltung versus Erhalt der Biodiversität

Torben Fischer versus Carlo Amodeo oder: naturnahe Bienenhaltung versus Erhalt der Biodiversität

Stellungnahme von Christian Arnold zu den Fachtexten „Wege aus der genetischen Wüste“ und „von der Massentierhaltung zur artgerechten Bienenhaltung“ (beide Rubrik Wissen bzw. Umweltpolitik)

Leider nicht sehr praktisch: Die Klotzbeuten

Die herkömmliche Bienenhaltung befindet sich ein Stück weit in einer Sackgasse. Die Bienenbestände lassen sich nur dank starker menschlicher Eingriffe aufrechterhalten. Die Ausfälle sind trotzdem recht hoch. Zudem bringt der Klimawandel weitere Unwägbarkeiten. Es ist schon klar, dass man die beiden im Titel der Stellungnahme benannten Bienen-Freunde nicht gegeneinander ausspielen soll und kann. Fischer plädiert für eine naturnahe Haltung der Bienen in hölzernen Klotzbeuten. Amodeo betreibt eine eigenes Zuchtprogramm zum Erhalt der lokalen, sizilianischen Biene, die eine gewisse Resilienz gegenüber Varroa zeigt.

Als Imker bin ich froh, dass es beide Experten gibt. Sie leisten Grossartiges. Als Honighändler bin ich aber eher bei Amodeo. Denn er zeigt mir auf, dass es auch in Zukunft noch möglich sein wird, Honig zu ernten, dieses wunderbare Naturprodukt zu geniessen. Fischers Herangehensweise scheint mir eine Abkehr von der Honigproduktion zu sein. Denn Klotzbeuten lassen sich weder effizient noch bezahlbar handhaben. Wenn überhaupt, so können nur geringste Mengen Honig geerntet werden. Ein ökonomischer Kilopreis käme wohlmöglich bei CHF 100.- oder mehr zu liegen. Honig würde zu einem Luxusprodukt für Begüterte werden. Durchschnittliche Haushalte hätten keinen Zugang mehr.

Erinnern wir uns an dieser Stelle an das im Brundtland-Bericht 1987 definierte Konzept der Nachhaltigkeit: Es vereinigt gleichermassen ökologische wie ökonomische Anliegen, und dies in sozial-verträglicher Weise. Fischers Fokus auf die Bienen-Biologie bringt ein Maximum an Ökologie unter Missachtung legitimer ökologischer Anliegen von z.B. Berufs-Imkerinnen und -Imkern. Zusätzlich würde er in Extremis zur Angebots-Verknappung und somit zu massiv steigenden Preisen führen. Nur noch Reiche könnten echten Honig kaufen. Der Rest müsste auf Ersatz-Produkte ausweichen. Um es deutlich zu sagen: Das ist asozial. Damit ist im Übrigen nicht gemeint, dass jeder Zugang zu billigen tierischen Produkten haben soll. Tierische Produkte sind hochwertig und nicht alltäglich, sollen aber bezahlbar bleiben.

Amodeo wiederum sucht nach Lösungen die – wenn erfolgreich – mehr Ansprüche der Nachhaltigkeit erfüllen. Er bereitet seine Bienen züchterisch so vor, dass sie genetisch in der Lage sind, mit Herausforderungen klarzukommen. Er leistet dabei einen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität und der Produktivität. In diese Richtung möchten auch wir Honigsammler uns entwickeln. Wir haben dazu Kontakt mit «mellifera.ch» aufgenommen. Wir werden diesen Sommer unseren Bienenstand mit mindestens einem Volk der bedrängten Rasse «Apis mellifera mellifera» bereichern. Zudem werden wir Kontakt mit Carlo Amodeo und seinen Mitstreitern aufnehmen, um seinen Honig anzukaufen und so seine Sache zu unterstützen.

Torben Fischer wünschen wir weiterhin viel Erfolg bei seiner Arbeit. Wir erachten es als sehr sinnvoll, parallel zur Honigproduktion einen Bestand gesunder wilder bzw. halb-wilder Honigbienen-Völker in den Wäldern zu haben. Auch das ist eine Zukunftschance, die nicht vertan werden sollte.

Carlo Amodeo bei seiner Arbeit

2020 – ein gutes Honigjahr

2020 – ein gutes Honigjahr

Ende Mai ist es soweit: Der Honig ist vermutlich reif für die Ernte. Doch so genau kann ich das nicht wissen. Ich ziehe die Arbeitshose an, hole den Schutzanzug aus dem Geräteschuppen, fülle den Smoker mit Tabak. Beim Bienenstand ist am frühen Nachmittag Einiges los. Die Bienen fliegen fleissig. Das Wetter stimmt. Ich entzünde den Smoker und ziehe den Schutzanzug an. Ich hebe den Deckel ab und schaue in die Bienenkiste. Die Bienen fliegen auf. Der Rauch besänftigt sie ein bisschen. Ich hebe mit dem Stockmeissel eine Wabe aus der Zarge. Die Honigzellen sind mehrheitlich verdeckelt. Das ist gut, denn nur so darf ich davon ausgehen, dass der Honig reif bzw. unter 20% Feuchtigkeit aufweist. Nun entnehme ich der Zarge eine Wabe nach der anderen und wische die Bienen sorgfältig ab. Es ist eine schweisstreibende Arbeit im Schutzanzug, die sich dahinzieht. Mein Fahrzeug füllt sich. Es riecht fein nach Honig. Es «honigt», sagen die Imker. Ich decke nach und nach die Volker wieder ab, frage mich, ob ich für die Zeit zwischen der Blüten- und Waldhonig-Tracht die Bienen noch einmal kurz füttern soll. Ich fahre die Honigernte in die Imkerei. Dort stelle ich Rähmchen für Rähmchen auf ein Gestell. Mit der «Entdeckelungsgabel» hebe ich vorsichtig die mit Wachdeckel von den Honigzellen ab. Denn ist der Honig ausreichend getrocknet, verschliessen die Bienen diese mit einer dünnen Wachschicht. Weil die Waben noch warm sind, fliesst der Honig langsam ab. Ich muss mich beeilen. Ich stelle Wabe für Wabe in die Handschleuder. Ich fange an zu drehen, erst langsam und dann immer schneller – einmal im Uhr- und dann im Gegenuhrzeigersinn. Dann drehe ich die Waben um, damit auch die andere Wabenseite geschleudert werden kann. Der Honig spritzt an die Chromstahlwände der Schleuder und fliesst nach unten ab. Immer mehr Honig sammelt sich am Boden der Schleuder und fliesst durch Abläufe in ein Sieb. Von Zeit zu Zeit muss ich dieses Sieb reinigen. Darunter fliesst der Honig in einen rostfreien Chromstahlkessel. Ist er voll, stelle ich ihn in einen dunklen, kühlen Raum. Denn der Honig muss sich nun setzen. Einige Tage später kann sind Luftblasen und die letzten Partikel an die Honigoberfläche gewandert. Ich kann mit einem Spachtel die letzten Verunreinigungen abziehen. Der Honig ist reif für die Abfüllung in die Gläser.

Verdeckelter reifer Honig und unverdeckelter unreifer Honig

Mit einer Entdeckelungsgabel werden die verdeckelten Honigzellen entdeckelt

Die Honigwaben werden von Hand und dadurch besonders schonend geschleudert

Der geschleuderte Honig fliesst den Chromstahl-Innenwänden entlang nach unten

Flüssiges Gold rinnt aus der Schleuder ab in ein Sieb

Bevor der Honig abgefüllt werden kann, muss der einige Tage kühl und dunkel lagern

Eine Frage der Qualität

Eine Frage der Qualität

Nur schon aus lebensmittelrechtlichen Gründen lassen wir unsere Honige systematisch analysieren. Der Wassergehalt sollte z.B. tief (um 18%) sein, damit der Honig nicht gärt. Wir messen den Wassergehalt mit einem einfachen Refraktometer.

Die Sortenreinheit lässt sich mit einer sogenannten Pollenanalyse feststellen. Wird eine bestimmter Anteil Sorten-Pollen unterschritten, dürfen wir diesen nicht als solchen anpreisen. Mit anderen Worten: Nur sortenreiner, unverfälschter Honig kommt in den Verkauf.

Ein hoher Wert der temperaturempfindlichen Enzymen zeigt die Natürlichkeit und «Lebendigkeit» des Honigs an. Bei unsachgemässer Behandlung des Honig denaturieren die Proteinkörper in den Enzymen und der Honig verliert seinen wertvollsten Bestandteil. Der sogenannte HMF-Wert (Hydroxymethylfurfural) sollte dagegen möglichst gering sein. HMF ist ein Umbauprodukt von Zuckern. Dieser Umbauprozess wird durch höhere Temperaturen in Abhängigkeit von der Einwirkzeit gefördert. Hohe HMF-Werte zeigen eine unsachgemässe Lagerung an. Wir kontrollieren beide Werte systematisch. Honig der nicht unseren Vorstellungen entspricht, nehmen wir aus dem Verkauf, und wir suchen das Gespräch mit den entsprechenden Imkern.

Je nach Honigsorte (Raps, Sonnenblume) lassen wir diesen zusätzlich auf Pflanzenschutzmittel untersuchen. Bei den Honigtauhonigen (Tanne, Linde, Akazie, Edelkastanie) dürfen wir dies aus sachlichen Gründen vernachlässigen. Bei Heidehonig und Blütenhonig prüfen wir sporadisch auf Pflanzenschutzmittel. Alle Honige lassen wir aber hinsichtlich der sogenannten Imker-Arzneien untersuchen. Fällt ein Honig auf, wird die entsprechende Charge aus dem Verkauf genommen.

Und natürlich achten wir auch auf Sauberkeit und Hygiene bei der Weiterverarbeitung und Abfüllung. Nur Honig von perfekter, sortenspezifischer Konsistenz geben wir an Sie weiter.

Qualitativ hochwertiger Honig muss übrigens nicht «Bio» sein. Denn vergleicht man Honig aus Bio-Betrieben mit Honig von konventionellen Imkern, gibt es keine messbaren Unterschiede. Oder anders formuliert: Sie dürfen von uns Honig in Bio-Qualität erwarten. Wir schreiben ihn aber nicht als solchen an.

Jetzt sind Sie dran. Sorgen Sie für dunkle, gleichbleibend kühle Lagerung. Dann sollte der Honig weit über das angegebenen Haltbarkeitsdatum hinaus geniessbar bleiben.