Stellungnahme zur Pestizid-Initiative
Stellungnahme zur Pestizid-Initiative
Wir können die Aufregung in der Landwirtschaft verstehen. Ein kompletter Verzicht auf synthetische Pestizide ist eine grosse technische und finanzielle Herausforderung. Jeder Hobbygärtner weiss, was Schädlinge, Pilzbefall und Überwucherung durch Unkraut verursachen können. Es ist einfach, diesen Verzicht anderen – und dann noch Fachleuten der Landwirtschaft – einfach zuzumuten.
Wir glauben auch den vielen Landwirten, die synthetische Pestizide – wenn überhaupt – nur noch gezielt einsetzen. Das lässt sich auch mit Zahlen belegen. Ihr Umweltbewusstsein ist mit Garantie wesentlich höher als jenes vieler Konsumentinnen und Konsumenten, die viel fordern, aber dann doch nach den billigsten Rüebli – wenn möglich noch aus dem Ausland – greifen.
Trotzdem: Die Stossrichtung der Initiative stimmt! Es überzeugt uns, dass dabei auch die Importe erfasst werden. Auch sie müssen entsprechend produziert worden sein. Zudem erscheint uns die vorgesehene zehnjährige Übergangsfrist als ausreichend, um die Arbeitsabläufe auf den landwirtschaftlichen Betrieben anzupassen.
Es ist einfach eine gute Sache, wenn nach anderen Wegen gesucht wird. Nicht-chemische Pestizide, so wie sie im Bio-Landbau Verwendung finden, sind weiterhin erlaubt. Eine sinnvolle regionale Produktion wird nicht verunmöglicht. Verunmöglicht wird der vielerorts immer noch sorglose Griff in den «Giftschrank», auch in Privathaushalten, bei den SBB und den Kommunen.
Die Preise für Lebensmittel werden steigen. Gut so! Denn sie sind viel zu tief. Wir leben in einer Zeit, in der es auch für einkommensschwache Haushalte selbstverständlich geworden ist, nach Dubai zu fliegen, um zu shoppen. Aber für das Kilo Rüebli will man keinen Franken zahlen. Das kann und darf so nicht weitergehen. Lebensmittel sollen nachhaltig produziert werden und dürfen dann auch den angemessenen Preis haben.
Insekten wie Bienen profitieren davon. Es ist erwiesen, dass sie unter Insektiziden wie Neonicotinoiden leiden. Sie machen sie anfälliger für vielerlei Bienenkrankheiten. Je nachdem wie gespritzt wurde, tragen die Bienen dann diese Pflanzenschutzmittel auch noch direkt in den «wunderbaren Thurgauer Apfelblütenhonig» ein. Und der wird dann wiederum als besonders nachhaltig angepriesen. Das kann es und darf es nicht sein. Darum ein überzeugtes Ja zur Initiative.
Freud und Leid in der halbdirekten Demokratie
Die Möglichkeit, regelmässig über Sachfragen abzustimmen, ist ein unerhörtes politisches Privileg. Ja, die Schweiz ist ein Sonderfall – genau darum. Damit verbunden ist aber ein Problem, an das sich alle interessierten Stimmberechtigten gewöhnen müssen: Die permanente geistige Überforderung aufgrund der Fragestellungen.
Welche Optionen stehen zur Verfügung: Jammern und von einer Experten-Regierung träumen? Aus dem Bauch heraus was ankreuzen oder ankreuzen, was die «Bubble» ankreuzt? Nein, wer sich der halbdirekten Demokratie würdig erweisen will, muss etwas Disziplin und Demut zeigen. Disziplin, um sich der Materie einigermassen zu bemächtigen. Demut, um zu einer Entscheidung zu stehen, die langfristig vielleicht nicht richtig sein wird.
Honigsammler geht es da nicht besser. Wer nicht gerade Agronom, Biologin oder Chemiker ist, und das sind wir nicht, ist und bleibt Laie. Und trotzdem versuchen wir hier eine Beurteilung. Dabei fokussieren wir uns auf die «Volksinitiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide». Diese hat noch stärker Auswirkungen auf Insekten wie Bienen als die sogenannte Trinkwasser-Initiative.
Berauschende Bienen
Der Solothurner «Nachtschatten Verlag» hat ein lesenswertes Büchlein veröffentlicht, in welchem der Norddeutsche Fabian Kalis (30 Jahre junger Berufsimker) seine umfassende Recherche rund um «Mythologie, Folklore und um psychoaktiven Honig» zusammenfasst. Kalis ist kein Soziologe, kein Historiker, kein Chemiker dafür begeisterter Autodidakt. (Bekanntlich können es solche in jeder Disziplin sehr weiter bringen.) So wagt er nicht nur historische Abhandlungen und kulturelle Deutungen, sondern auch chemisch-biologische Analysen und gar Selbstversuche.
Kalis steht dabei zur Begrenztheit «seines» Wissens und zeigt auf, wo weiter recherchiert, geforscht werden könnte. Das weckt Interesse und macht Lust auf mehr.
Besonders spannend sind seine Abhandlungen zu «Honig aus psychoaktivem Nektar und Honigtau», sowie zu Honig als «Aphrodisiakum». Es ist zwar gesetzlich verboten, Honig in irgendeiner Weise als Medikament anzupreisen. Trotzdem darf nicht übersehen werden, dass Honig bestimmte chemische und biotische Inhaltstoffe aufweist, die je nach Tracht und Sorte unterschiedlich zusammengesetzt sind. Und diese Zusammensetzungen erzielen unterschiedliche Wirkungen bei der Einnahme.
Fabian Kalis erzählt von «Tollhonig» vom Schwarzen Meer und von «Xtabentun» aus Yucatan. Er zeigt auf, dass Alpenrosenhonig in hoher Dosis eine berauschende Wirkung erzielt und dass Lavendelblütenhonig eine leichte Wirkung auf den Geist nicht abzusprechen ist.
Wie bereits gesagt: Kalis Text ist kein wissenschaftliches Buch. Und Kalis ist in seinen Formulierungen entsprechend vorsichtig. Trotzdem ist es inhaltlich hochwertig. Der Autor hat es geschafft, dass jeder Honigexperte und jede Honigexpertin bei der Lektüre noch mindestens etwas dazulernen kann.
Kalis, Fabian (2020): Berauschende Bienen – Mythologie, Folklore & psychoaktiver Honig. Nachtschatten Verlag, Solothurn. ISBN: 978-3-03788-597-0
Wege aus der genetischen Wüste
Wege aus der genetischen Wüste
Der fortschreitende Verlust an Biodiversität betrifft auch die Honigbienen. Die Selektion der Königinnen in Richtung Honigleistung, Sanftmut und Wabensitz haben den Gen-Pool reduziert. Zudem hat der Siegeszug der «Apis mellifera carnica» andere Honigbienen-Rassen fast zum Verschwinden gebracht. Dieser «Verarmung» muss sinnvollerweise Einhalt geboten werden.
Die Problematik erinnert an die Thematik der Rinder-Rassen. Schaut man nur auf die Milchleistung, würde es wohl bald nur noch «Hosteiner», schaut man nur auf die Fleischproduktion bald nur noch «Charolais» geben. Unter den Honig-Bienen hat sich in dieser Weise die «Apis mellifera carnica» hervorgetan. Es sei an dieser Stelle klipp und klar gesagt, dass die «Carnica» so natürlich wie alle anderen Bienen ist und darüber hinaus zahlreiche herausragende Eigenschaften aufweist. Nicht von ungefähr wird sie darüber weltweit eingesetzt und ist ein eigentlicher Exportschlager Kärntens und Sloweniens. Kaum eine Honig-Biene dieser Welt weist vergleichbar vorteilhafte Eigenschaften auf.
So verdrängte die «Carnica» nicht nur in unseren Breitengraden die lokalen Bienen. Nördlich der Alpen herrschte bis vor 100 Jahren die «Apis mellifera mellifera» oder auch «dunkle europäische Biene» genannt und südlich die «Apis mellifera ligustica» oder auch «Italienische Biene» vor. Heute sind diese lokalen Rassen weitgehend verdrängt worden, aber nicht verschwunden. In der Schweiz bildet insbesondere der Kanton Glarus eine geschlossene Population dunkler Bienen. Die «Dunkle Biene» hat einige Eigenschaften, die gewisse Vorteile gegenüber der gelben «Carnica» bringen. So ist sie weniger anfällig auf Temperatur- und Witterungsschwankungen, weil sie einfach viel vorsichtiger auf- und ausbaut. Sie fliegt zudem bei niedereren Temperaturen.
Nur schon aus nutzenorientierten Überlegungen scheint es sinnvoll zu sein, im Hinblick auf die klimatologisch unsichere Zukunft ein Höchstmass an Biodiversität zu erhalten. Niemand weiss heute, welche natürliche Eigenschaft in Zukunft eventuell überlebenswichtig werden wird. Die Natur hat ausgehend von der letzten Eiszeit und nördlich des Mittelmeers eine beeindruckende genetische Vielfalt der Honigbiene entstehen lassen. Diese Vielfalt sollte sinnvollerweise erhalten bleiben.
Verschiedene Organisationen haben sich dieses Ziel auf die Fahne geschrieben. Die Dachorganisation «SAVE Fundation» und ihr Mitglied «Pro Specie Rara» setzen sich ganz allgemein für den Erhalt der Biodiversität bei Zuchttier-Rassen ein. «Mellifera.ch» hat sich den Erhalt und der Weiterentwicklung der «dunklen Biene» auf Schweizer Boden zum Ziel gemacht.
Anfällig auf Varroa sind die gelbe und die dunkle Honigbiene. Auch kaum eine andere westliche oder auch östliche Honigbiene – woher die Varroa-Milbe stammt – ist geschützt. Die Forschung ist dabei, Lösungen zu suchen. Einen sehr interessanten Beitrag leistet hier Imker Carlo Amodeo aus Sizilien. Er stiess vor 25 Jahren auf vergessene Völker der «Apis mellifera sicula». Sie hatten ohne Behandlung – was eigentlich unumgänglich ist – überlebt. Er schloss auf eine gewisse Resilienz der Rasse gegenüber Varroa und begann ein eigenes Zuchtprogramm auf der Insel Filicudi. Von dort aus versucht er seine Biene in West-Sizilien zu verbreiten. Das Schweizer Fernsehen srf widmete seinem Engagement eine sehenswerte Dokumentation.
Von der Massentierhaltung zur artgerechten Bienenhaltung
Von der Massentierhaltung zur artgerechten Bienenhaltung
In Fachkreisen besteht rund um die Honigbiene seit einiger Zeit eine Diskussion, die bezüglich der allgemeinen Nutztierhaltung schon lange geführt wird: Es geht dabei um die Frage der artgerechten Haltung und deren Wirtschaftlichkeit.
Wer wissen will, wie Honigbienen artgerecht leben, muss sie in der Natur beobachten. Das ist leichter gesagt als getan. Denn wild lebende Honigbienen-Völker sind sehr selten. Fündig wird man am ehesten in hohlen Baumstämmen, ihrem natürlichen Habitat. Hohle Bäume sind es denn auch, welche die Bienen seit 45’000’000 Jahren für ihr Überleben nutzen.
Die «Zeidlerei» ist eine Form der Haltung halbwilder oder gänzlich wilder Honigbienen-Völker in Bäumen. Diese «Waldimkerei» breitete sich im Spät-Mittelalter von Russland über Polen nach Deutschland aus. In jener Zeit war der Honig ein wertvolles Nebenprodukt der Bienenwachs-Produktion. Das Wachs wiederum wurde für Kerzen verwendet. Die extensive und wenig effiziente Bienenhaltung rechnete sich bei geringsten Lohnkosten irgendwie. Mit der Reformation und der Entdeckung Amerikas ging sowohl der Wachsverbrauch als auch die Nachfrage nach Süssstoff zurück, weil nun billiges Zuckerrohr zur Verfügung stand. Die Zeidlerei verschwand dahin, woher sie gekommen war: in die weiten Wälder Russlands, wo es sie noch heute gibt.
Die heute vorherrschende Honigproduktion in Kasten oder Beuten entspricht kaum dieser natürlichen Lebensweise. Sie wird von manchen darum auch etwas polemisch als ‘manipulierte Massentierhaltung mit Medikamenten-Missbrauch’ beschrieben. Biologe Torben Fischer hat sich einen Namen gemacht in der Erforschung der Honigbiene. Mit seiner Forschung konnte er zeigen, was Bienen krank bzw. resilient macht.
Insbesondere die physikalischen Eigenschaften der Kasten/Beuten machen den Honigbienen zu schaffen, so Fischer. Die grossen Volumina der Hohlräume nötigten die Völker zu einer zu grossen Population, was wiederum die Belastung durch die Varroa-Milbe verstärke. Zusätzlich würden die Völker viel Energie verlieren beim Beheizen der grossen Hohlräume. Styropor- bzw. behandelte Holz-Oberflächen würden keine Luftfeuchtigkeit absorbieren, was wiederum zu Piz- und Schimmel-Befall führe. Insgesamt sei es in den herkömmlichen Bienenkasten einfach zu kühl und zu feucht.
Torben Fischer propagiert deshalb eine Form der Bienenhaltung in sog. Klotzbeuten, die er als «Quelle des Lebens» und die auf aktueller Forschung basiert. Sie erinnert an die traditionelle Zeidlerei.
Die durch einen Schreiner hergestellte Klotzbeute weist auf der Vorderseite ein Flugloch mit rund 5cm Durchmesser auf. Auf der hinteren Seite besteht eine konisch zugeschnittene, verschliessbare Öffnung, bei der sich der Imker, die Imkerin Zugang zu den Waben verschaffen könnte. Der Hohlraum im Innern ist rund 1m hoch und hat einen Durchmesser von rund 20cm. Die Bienen bauen diesen wild aus. In der Tendenz legen die Bienen zuerst Honig-Vorräte im oberen Drittel und zuletzt im unteren Viertel an. Die letztgenannten könnte der Imker, die Imkerin theoretisch abernten.
Torben Fischer geht es dabei aber nicht um die Honigproduktion. Seine Empathie gilt den Bienen, nicht der Honigproduktion. Er stellt in seiner Forschung fest, dass sich das Verhalten der Bienen schlagartig ändert, natürlicher wird, wenn es von einer Beute/Magazin/Kasten in eine hölzerne Klotzbeute umgesiedelt wird. Das Holz sorgt dabei für eine geringere Luftfeuchtigkeit, weil es diese aufnimmt. Die dicken Wände isolieren. Idealerweise zieht man die Klotzbeute dann hoch auf 4 bis 5 Meter über Boden. Denn im Laufe der Jahrmillionen habe sich auch dieser Umstand als überlebenswichtig erwiesen. Mehr dazu:
Torben Fischer zur Bienenhaltung
Was jeder Imker wissen muss
Was jeder Imker wissen muss
Buchbesprechung
«Die Bienenkönigin – Was jeder Hobbyimker wissen muss» und «Bienen-Werkstatt – 52 Projekte für angehende Imker»
Der renommierte Verlage Haupt, Bern hat uns zwei Fachbücher aus dem aktuellen Verlagsprogramm zugesandt, verbunden mit der Bitte um Besprechung. Wir kommen dieser Aufforderung gerne nach und bedanken uns für die interessante Lektüre.
«Die Bienenkönigin - Was jeder Hobbyimker wissen muss»
Zunächst setzten wir uns mit Hilary Kearneys Buch «Die Bienenkönigin» auseinander. Was auffällt, ist die spielerische Art und Weise mit der Kearney das Thema angeht. Die Systematik der Bienenkunde leidet etwas zugunsten der Lesbarkeit. Oder positiv formuliert: Das Buch liest sich wie Butter. Die Sachtexte sind locker verfasst, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Zudem flicht die Autorin vielfach lustige Anekdoten ein. Der eigentliche Rote Fadenbilden aber insgesamt 48 Suchbilder, bei denen der Betrachter und die Betrachterin aufgefordert sind, die Königin unter hunderten Arbeiterinnen und Drohnen zu lokalisieren. Dabei steigert Kearney die Schwierigkeit. Damit ist auch gesagt, was das Buch vermitteln will: Die Kompetenz, die Königin im Volk zu finden. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass das wirklich schwierig, für die erfolgreiche Führung der Völker aber unumgänglich ist. Die Autorin gibt dem Leser, der Leserin hierzu ein paar wirklich nützliche Tipps zur Hand. Aber lesen Sie selbst.
Kearney, Hilary (2020): Die Bienenkönigin. Was jeder Hobbyimker wissen muss. Haupt Verlag, Bern. ISBN: 978-3-258-08171-7
«Bienen-Werkstatt - 52 Projekte für angehende Imker»
Nun zur «Bienen-Werkstatt» von Kim Lehman. Es handelt sich um eine Sammlung von 52 sogenannten Projekten für angehende Imker. Was Lehman genau unter «Projekten» versteht, bleibt dem Leser, der Leserin verborgen. Einerseits sind da handfeste technische Ratschläge für die Bienenhaltung anzutreffen, andererseits aber auch einfach Bastelideen rund um die Bienenprodukte (Wachs, Propolis, Pollen, …) und Rezepte. Insgesamt erscheint und das an den Laien gerichtete Werk zu ungenau für ein Schulungsinstrument. Ein angehender Imker, eine angehende Imkerin sollte sowieso einen Einführungskurs besuchen. Nur aufgrund von Literatur funktioniert es sowieso nicht – auch nicht mit einem detaillierteren Fachbuch. Es gibt aber andere Lesergruppen, für die das Buch geradezu prädestiniert zu sein scheint. Viele Lehrerinnen und Lehrer landauf landab thematisieren zu Recht die Bienen im Unterricht. Die «Bienen-Werkstatt» liefert ihnen zahlreiche sehr kreative und lehrreiche Inputs für den interdisziplinären Biologie-, Kunst-, Werk- und Physikunterricht. Zusätzlich eignet sich das Buch aus unserer Sicht auch sehr für erfahrene Imkerinnen und Imker, die mehr aus Ihrem Hobby machen wollen. Wieso mal nicht eine Honigverkostungsparty schmeissen – wie geschildert – und so den Honigverkauf steigern?! Oder wieso mal nicht sogenannten Bienenbrot selbst herstellen? Das Machwerk enthält einige tolle Ideen und ist deshalb ebenfalls den Kauf wert.
Lehman, Kim (2018): Bienenwerkstatt. 52 Projekte für angehende Imker. Haupt Verlag, Bern. ISBN: 978-3-258-08039-0
Die summenden Schaffer
Bienen haben es in die Nachrichten geschafft. Die stillen Schaffer, die höchstens mal durch einen Stich auf sich aufmerksam machen, sind ein Medienthema. Denn der Tod so vieler Bienenvölker macht uns bewusst: Ohne Bienen hätten wir mit unserer Ernährung ein Problem. Deshalb gibt es wieder mehr Menschen, die sich für die Honig spendenden Insekten interessieren. Auch zwei Bücher beschäftigen sich mit ihnen.
Bienen schaffen es in den urbanen Raum. Seit der Schrebergarten nicht mehr als Hort verstockter Fahnenpatrioten gilt, sondern als urban garden für modische Leute mit grünem Daumen, sind Bienen ein salonfähiges Aperitif-Thema. Denn diese müssen ja die Blumen und Pflanzen bestäuben. So soll es in Berlin 600 Hobbyimker geben und es werden täglich mehr. Wer mit mehr als oberflächlichem Wissen glänzen will, sollte sich „Das grosse Buch der Bienen“ oder die „Bienen Mitteleuropas“ zu Gemüte führen. Letzteres Buch, erschienen im Haupt-Verlag, führt die Leser wissenschaftlich fundiert in das Leben der Bienen ein. Neben der ausführlichen Beschreibung der Morphologie, der Lebensweise und Anweisungen zur Bestimmung gibt das Buch auch ausführlich Auskunft über den benötigten Lebensraum der Bienen. Besonders umfangreich beschäftigt sich die „Bienen Mitteleuropas“ mit den einzelnen Arten und Gattungen der Wildbienen. Laien gehen davon aus, dass es wohl nur einige wenige Arten gibt und dass diese Arten vor allem dafür da sind, uns Honig zu machen. Es gibt in Deutschland, Österreich und der Schweiz rund 740 Bienenarten, die meisten davon sind selten geworden. In den Medien ist vor allem von der Varroa-Milbe die Rede, doch eine weitere Ursache für die Schwächung der Bienen könnten auch Handystrahlen oder Pflanzenschutzmittel sein. Drei Neonicotinoide sind deshalb von der EU vor einiger Zeit verboten worden. Leider benutzen auch heute noch viele Schrebergärtner agrochemische Substanzen, um mit prachtvollem Gemüse prahlen zu können.
Eine weitere Ursache für den schlechten Zustand der Bienenwelt ist zweifellos die Überdüngung durch die Landwirtschaft sowie die seit Jahrzehnten andauernde Ausräumung der Landschaft in ganz Mitteleuropa und im Alpenraum. Dabei spielen die Bienen in Berggebieten eine wichtige Rolle für den Erhalt der Artenvielfalt, die hier besonders bei den Pflanzen noch hoch ist. Bienen sind im gesamten Alpenraum verbreitet, aber die verschiedenen Arten fliegen auf unterschiedliche Höhen. Wegen seines milden Klimas überleben beispielsweise im Kanton Wallis viele Bienenarten 500 Meter höher als in den übrigen Alpengebieten. Einige Arten besiedeln die Alpen über die Baumgrenze hinaus und sind auf gegen 3000 Meter Höhe zu finden.
Bienensömmerung
Auch die klassische Honigbiene, die es in einer Art, aber verschiedenen gezüchteten Rassen gibt, ist im ganzen Alpenraum verbreitet. Dank ihres gut organisierten Staatswesens setzen sie ihre solitär lebenden Verwandten unter Druck. Früher war es unter Imkern gang und gäbe die Bienen im Sommer zu alpen. Das ist vorbei, doch nun beginnen immer mehr Älpler mit der Honigherstellung. Für sie sind Honigbienen eine willkommene zusätzliche Einnahmequelle.
Buchmempfehlung
Das grosse Buch der Bienen geht auf die sinnliche Seite der Bienen und der Honigproduktion aus. Mit grossformatigen Bildern und Kapiteln wie „Gesundheit und Wellness aus dem Bienenstock“ wird den Leserinnen und Lesern die Faszination der Bienenwelt schmackhaft gemacht. Der Honig ist ein Wirkstoffcocktail mit einer Mischung aus Traubenzucker und Fruchtzucker, die auf unterschiedliche Weise und zu unterschiedlichen Zeiten vom Körper verarbeitet werden, sodass die belebende Wirkung länger anhält, als sonst bei einem Stück Traubenzucker. Schon Hippokrates hat die Heilwirkung des Bienenhonigs gekannt und Paracelsus behandelte mit ihm erfolgreich Fieber und Furunkel. Inzwischen belegen zahlreiche Studien die Heilwirkung des Honigs, beispielweise dank seiner antibakteriellen Wirkung bei der Wundheilung. Ausserdem wird Honig zunehmend auch in kosmetischen Produkten verwendet. Im schön aufgemachten Buch informiert eine historische Abhandlung über die die Biene in der Mythologie und der Ernährung der Menschheit. Nicht nur Bären stehen seit Urzeiten auf Honig, auch die Menschen beklauen die Biene was das Zeug hält. Kein Insekt hat die Menschen so zu blühenden Vorstellungen angeregt, wie die Bienen ihr Staats- und Gemeinwesen gilt gar als Vorbild. „Das grosse Buch der Bienen“ reflektiert die Bienen in der Literatur und Poesie. Das Buch zeigt eindrücklich, welch raffiniertes Gefüge ein Bienenstaat aufbaut und welch grosse Bedeutung die Bienen für die Umwelt haben.
Super-Food im eigenen Garten
Preiselbeere
Wilde Beeren und Früchte gehören zu den Pflanzen, die uns wieder staunen lassen. Tatsache ist, dass Wildbeeren und Wildobst bei uns nicht mehr den Platz und den Stellenwert haben, den sie verdienen. Doch in den letzten Jahren wächst das Interesse wieder an Wildobst. Im Kanton St. Gallen entsteht die europaweit grösste Wildobstsammlung.
Felsenbirnen, Scheinquitten, Preisel- oder Aronia-Beeren – sie und noch viele andere Fruchtsorten bekommen zunehmend den Ruf von Superfood. Sie werden in innovativen Rezepten immer häufiger auf die verschiedenste Weise verarbeitet. Dies wegen dem reichhaltigen Bouquet an Vitaminen und Mineralstoffen, die sie aufweisen. Dabei vergrössern ihre Buntheit und ihre Früchte die Lebensqualität nicht nur der Menschen, sondern vor allem auch der Tierwelt. Wildobst bietet eine reichhaltige Palette an Futter für Bienen und andere Insekten, für Vögel und kleine Säuger und sollte deshalb nicht nur vermehrt an Waldrändern, sondern auch in Gärten gedeihen. Denn der Schutz der Lebensräume beginnt vor der eigenen Haustüre, im eigenen Garten. Die in St. Gallen ansässige SAVE-Foundation baut deshalb in St. Gallen eine europaweit einmalige Wildobst Sammlung auf. Beim Baumwipfelpfad in Mogelsberg entsteht eine Doppelung mit zusätzlichen Widlobstarten. Die Sammlungen sind öffentlich zugänglich. Das Projekte entstehen mit Unterstützung des WWF St. Gallen und des WWF Appenzell. Die Stadtgärtnerei St. Gallen stellte den Boden in der Nähe des Botanischen Gartens und dem Naturmuseum zur Verfügung und half bei der Bepflanzung. Die Sammlung in Mogelsberg wird von einem Bauern betreut. Er wird Führungen machen, die Beeren aber auch ernten und sie wenn möglich zu Produkten verarbeiten – es ist der innovative Teil des Projektes.
Vogelbeere
Banane, Orange, Kaki, und Co. sind moderne und gesunde Vitaminspender und in jedem Supermarkt erhältlich. „Superfood“ und „Powerfood“ sind Marketingversprechen für exotische Früchte wie z.B. Acai-Beere (Euterpe oleracea) aus Südamerika oder Chiasamen (Salvia hispanica) aus Mexiko. Billigimporte exotischer Früchte und oft überzogene Werbeversprechen entziehen einheimischen oder eingebürgerten Obstarten und insbesondere dem Wildobst mit seinen interessanten Sorten die wirtschaftlichen Grundlagen. Damit geraten auch das Wissen, Sagen, Legenden und Bräuche zum Wildobst in Vergessenheit. Warum „soll man vor dem Holunder den Hut ziehen“? Was ist eigentlich eine Alätschberr und warum wurde die „Schwideberr“ so sehr geschätzt?
Wildobst sind essbare Früchte, die in der Natur wild vorkommen oder züchterisch wenig bearbeitet worden sind. Diese Gehölze können wilde Vorfahren einheimischer Obstarten oder aus anderen Ländern und Regionen der Welt eingeführte und an die Umwelt angepasste Arten und Sorten sein. Diese Anpassung bedeutet nicht nur eine Adaption an Klima und Bodenbedingungen, auch die Fauna profitiert von den Wildobstarten, weil die meisten von ihnen offen abblühen, das heisst den Bienen Pollen und Nektar spenden. Nicht abgeerntete Früchte finden dankbare Abnehmer bei Kleinsäugern, Vögeln und Reptilien. Die Heckenstruktur des Wildobstes fördert Nist- und Brutmöglichkeiten. Das Futterhäuschen kann man sich also sparen, wenn es im Garten eine Wildobsthecke gibt. Von A wie Aronia bis Z wie Zibarte gibt es rund 250 Arten und von diesen Arten zahlreiche Sorten, die für den heimischen Anbau sehr gut geeignet sind.
Auch Züchter wissen wenig über die Vielfalt der Wildobstarten, wie die geringen züchterischen Anstrengungen in der Schweiz zeigen. Sortenzucht von Vogelbeere, Aronia, Scheinquitte und Co. fand hauptsächlich in Ost- und Südosteuropa während der Zeit des kalten Krieges von 1947 bis 1989 statt. Exotische Früchte konnten in diese Länder kaum eingeführt werden. Man suchte und fand Alternativen beim Wildobst, das nun aus den Wäldern auf die Felder kam: Aronia und Holunder sind sehr gute Farbstofflieferanten. Die Scheinquitte – bei uns als Zierstrauch bekannt – wurde so züchterisch bearbeitet, dass daraus ein Ersatz für Zitronensaft in der Küche hergestellt werden konnte. Der Sauerdorn wurde nicht nur als Fiebermedizin genutzt, sondern aus den Zweigen wurde rote Tinte gewonnen. In den alpinen Regionen macht sich kaum jemand noch die Mühe, sich nach einer Greflä (Preiselbeere) zu bücken und niemand fragt mehr nach Kinderbrot (Mehlbeere).
Banane, Orange, Kaki, und Co. sind moderne und gesunde Vitaminspender und in jedem Supermarkt erhältlich. „Superfood“ und „Powerfood“ sind Marketingversprechen für exotische Früchte wie z.B. Acai-Beere (Euterpe oleracea) aus Südamerika oder Chiasamen (Salvia hispanica) aus Mexiko. Billigimporte exotischer Früchte und oft überzogene Werbeversprechen entziehen einheimischen oder eingebürgerten Obstarten und insbesondere dem Wildobst mit seinen interessanten Sorten die wirtschaftlichen Grundlagen. Damit geraten auch das Wissen, Sagen, Legenden und Bräuche zum Wildobst in Vergessenheit. Warum „soll man vor dem Holunder den Hut ziehen“? Was ist eigentlich eine Alätschberr und warum wurde die „Schwideberr“ so sehr geschätzt?
Wildobst sind essbare Früchte, die in der Natur wild vorkommen oder züchterisch wenig bearbeitet worden sind. Diese Gehölze können wilde Vorfahren einheimischer Obstarten oder aus anderen Ländern und Regionen der Welt eingeführte und an die Umwelt angepasste Arten und Sorten sein. Diese Anpassung bedeutet nicht nur eine Adaption an Klima und Bodenbedingungen, auch die Fauna profitiert von den Wildobstarten, weil die meisten von ihnen offen abblühen, das heisst den Bienen Pollen und Nektar spenden. Nicht abgeerntete Früchte finden dankbare Abnehmer bei Kleinsäugern, Vögeln und Reptilien. Die Heckenstruktur des Wildobstes fördert Nist- und Brutmöglichkeiten. Das Futterhäuschen kann man sich also sparen, wenn es im Garten eine Wildobsthecke gibt. Von A wie Aronia bis Z wie Zibarte gibt es rund 250 Arten und von diesen Arten zahlreiche Sorten, die für den heimischen Anbau sehr gut geeignet sind.
Auch Züchter wissen wenig über die Vielfalt der Wildobstarten, wie die geringen züchterischen Anstrengungen in der Schweiz zeigen. Sortenzucht von Vogelbeere, Aronia, Scheinquitte und Co. fand hauptsächlich in Ost- und Südosteuropa während der Zeit des kalten Krieges von 1947 bis 1989 statt. Exotische Früchte konnten in diese Länder kaum eingeführt werden. Man suchte und fand Alternativen beim Wildobst, das nun aus den Wäldern auf die Felder kam: Aronia und Holunder sind sehr gute Farbstofflieferanten. Die Scheinquitte – bei uns als Zierstrauch bekannt – wurde so züchterisch bearbeitet, dass daraus ein Ersatz für Zitronensaft in der Küche hergestellt werden konnte. Der Sauerdorn wurde nicht nur als Fiebermedizin genutzt, sondern aus den Zweigen wurde rote Tinte gewonnen. In den alpinen Regionen macht sich kaum jemand noch die Mühe, sich nach einer Greflä (Preiselbeere) zu bücken und niemand fragt mehr nach Kinderbrot (Mehlbeere).
Bedrohte Wildbienen
Wildbienen fliegen bei der öffentlichen Aufmerksamkeit im Schatten der Honigbienen. Doch bei der Diskussion um die Varoa-Milbe geht ganz unter: Auch Wildbienen sind bedroht. Allerdings nicht durch Parasiten, sondern durch Nahrungs- und Nestplatzzerstörer: Diese Gattung heisst Mensch.
Es wuselt und summt und Antonia Zurbuchen ist in ihrem Element. Mit einem Netz streift sie kurz über Grasnarbe, zieht es hoch, greift mit einem Becher hinein und fängt das Insekt: Es ist eine Sandbiene, eine von vielen Arten, die an diesem Unort vorkommen. Er ist der Kugelfang der Schiessanlage Ochsenwaid im Sittertobel in St. Gallen, einige wenige Steinwürfe von dort entfernt, wo bald wieder die Bässe der Rockbands am Openair durch die Schlucht wummern. Doch an diesem Frühlingsmorgen dröhnen weder Lautsprecher noch Donnerbüchsen, es ist nur das unangenehme Rauschen der Autobahn zu hören. Der Kugelfang ist eine Fläche, wo niemand auf die Idee käme, eine neue Rasensorte auszuprobieren, trostlose Thuja zu pflanzen, oder Gemüse zu ziehen. Es ist ein Ort, an dem kein Mensch Interesse hat, kurz, es ist ein Bienenparadies. Viele der Bienenarten, die hier fliegen, sind auf der Roten Liste. Das ist keine Kunst: „Die Hälfte der 600 Wildbienenarten in der Schweiz sind vom Aussterben bedroht“, schätzt Antonia Zurbuchen. Sie muss es wissen: Schliesslich hat die stellvertretende Geschäftsführerin bei Pro Natura St. Gallen über das Thema der Flugdistanzen von Wildbienen dissertiert und 2012 im Haupt-Verlag das Buch: „Wildbienenschutz – von der Wissenschaft zur Praxis“ veröffentlicht. Wildbienen sind für sie mehr als Insekten. Ihr Schutz ist für sie eine Herzensangelegenheit. Wichtig findet sie deshalb auch, dass demnächst die noch vorhandene Bienenpopulation in der Schweiz untersucht und inventarisiert wird. Denn sie ist überzeugt, dass qualitativ guter Lebensraum deutlich kleiner geworden sind und deshalb wohl schon einige Arten sehr selten geworden oder verschwunden sind. Einerseits hat die Industrialisierung der Landwirtschaft mit Monokulturen und agrochemischen Einsatz weiter zugenommen und auch die Siedlungsflächen leisten nicht jenen Beitrag, den sie beisteuern könnten. Antonia Zurbuchen: „Die Bienen sind auf Futterquellen und gute Voraussetzungen für einen Nestbau angewiesen. Aber nicht auf einen bestimmten Lebensraum. Sie könnten sehr wohl im Siedlungsraum überleben, wenn die Wiesen blütenreich wären. Doch Bienen sind nur als Honiglieferanten beliebt, als Wohnpartner in der näheren Umgebung aber nicht. „Die Menschen assoziieren sie mit Stichen und Schmerzen. Dabei sind Wildbienen überhaupt nicht aggressiv. Sie nisten sogar oft auf Spielplätzen neben Rutschbahnen und stören niemanden“, erklärt Antonia Zurbuchen.
Die Hälfte nistet im Boden
Eigentlich wäre auch die Honigbiene eine ganz normale Wildbiene, hätte diese Art nicht eine Eigenschaft entwickelt, die sie für den Menschen ganz besonders interessant macht. Im Gegensatz zu allen anderen Wildbienenarten ist die Königin der Honigbiene selber nicht mehr fähig Brutzellen zu bauen und könnte sich ohne ihr Volk nicht fortpflanzen und ist auf Fütterung angewiesen. Das zwingt einen Teil ihrer Nachkommenschaft ebenfalls im geflügelten Stadium zu überwintern, um die Königin im Frühjahr wieder zu ernähren und ihr Brutzellen für die Eiablage zu bauen. Die Überwinterung kostet so viel Energie, dass im Sommer nicht nur viele Blütenpollen, sondern auch Nektar gesammelt werden muss. Die anderen Wildbienenarten, meist solitäre Nestgründer, verharren im Larvenstadium über den Winter und reduzieren ihren Energieverbrauch auf ein Minimum. Das heisst, sie müssen keine grossen Honigvorräte anlegen. Je nach Bienenart brauchen sie im Frühling eine bestimmte Wärmesumme, um den Prozess abzuschliessen. Meist sind die männlichen Bienen zuerst flügge und stürzen sich dann auf die weiblichen Bienen, sobald sie auch geschlüpft sind. Das Weibchen bestimmt, welche männlichen Samen sie verwendet, befruchtet damit die Eier und legt sie in ein Nest. Im Gegensatz zur Wabenstruktur, welche ihre Honig produzierenden Verwandten als Nestarchitektur verwenden, nistet die Hälfte der Wildbienenarten im Boden, 20 Prozent legen ihre Eier in Hohlräume, wie sie in einem Wildbienenhotel vorhanden sind und fünf Prozent wählen Totholz oder markhaltige Stängel als Behausung aus, wie sie Königskerzen, aber auch Brombeeren oder Himbeeren bieten. Einige Bienenarten siedeln sogar in verlassenen Schneckenhäusern. Die restlichen Bienen, immerhin ein Viertel aller Arten verfolgen die Kuckucksstrategie und legen ihre Eier dort in die Nester, wo gerade ein Weibchen ausgeflogen ist, um Material für den Nestbau zu sammeln. Denn im Gegensatz zu den in sexuellen Dingen hierarchischen Verhältnissen in einer Honigbienenmonarchie wo nur die Königin Eier legt, vermehren sich Wildbienenweibchen selber und übernehmen auch den Nestbau. Eine fertig entwickelte Biene lebt vier bis zehn Wochen. In dieser Zeit baut sie ihr Nest, legt die Eier ab und stirbt. Im Falle der Wildbienen, die beispielsweise Stängel bevölkern, funktioniert der Nestbau folgendermassen: Die Biene baut am Stängelende eine Wand beispielsweise aus mineralischem Mörtel, füllt ein Gemisch aus Pollen und Nektar hinein, legt ein Ei dazu, schliesst die Brutkammer mit einer Zellwand , legt wieder Pollen hinein, dann wieder ein Ei und schliesst auch diese Kammer mit einer Wand ab. So kommen höchstens 20 – 40 Eier zusammen, die eine solche Wildbiene ablegt. Für das Überleben der Brut ist es wichtig, dass Nest und Futterquellen nahe beieinander liegen, denn je grösser die Distanz zwischen Futterquelle und Nest ist, desto geringer wird die Chance, lebende Nachkommen zu erzeugen. Bereits bei einer Distanz von 150 Metern schlüpfen bis 70 Prozent weniger Nachkommen.
Beim Bestäuben wichtiger als Honigbienen
Auf der Suche nach Nahrung übernehmen die Wildbienen als Bestäuber eine wichtige Funktion. Eine im vergangenen Winter in der Wissenschaftszeitschrift „Science“ veröffentlichten Studie untersuchte den wirtschaftlichen Wert der Bienenleistung: Hinter der Studie steht eine Kollaboration aus rund 40 Forschungsgruppen von allen Kontinenten, darunter ETH-Professor Jaboury Ghazoul mit seiner Gruppe Ökosystem-Management. Der Fruchtansatz von Nutzpflanzen bei den über 600 untersuchten Probeflächen wird grösser, wenn neben Honigbienen auch wilde Bestäuber die Blüten besuchen. Eine weitere Studie untersuchte die Bienenleistung bei Erdbeeren. Das deutliche Ergebnis wurde in der Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society B“ publiziert: Wenn Wildbienen Nutzpflanzen bestäuben, erhöht das nicht nur den Ertrag, sondern verbessert auch die Qualität der Früchte. Bei Erdbeeren ergebe sich durch die Arbeit der Bienen ein Handelswert, der um 54 Prozent höher liege als bei selbstbefruchteten Pflanzen, schreiben die Wissenschaftler um den Biologen Björn Klatt von der Universität Göttingen. Sie schätzen den Wert der Bestäubung durch Bienen allein für Erdbeeren, die in der EU verkauft werden, auf jährlich gut eine Milliarde Euro. „Die durch Bienen bestäubten Früchte waren schwerer, hatten weniger Missbildungen und erreichten eine höhere Handelsklasse“, heisst es in dem Beitrag. Während Honigbienen Generalisten sind und ein breites Nahrungsangebot nutzen, gibt es Wildbienenarten, die ein sehr eingeschränktes Nahrungsspektrum haben. „Manche sind so spezialisiert, dass sie nur eine bestimmte Pflanzgattung anfliegen. Und diese wiederum lässt nicht jedes Insekt an sich heran, sie haben Abwehrmechanismen entwickelt. Der Hummelragwurz, eine Orchideenart, imitiert beispielsweise den Weibchenduft einer Wildbienenart so perfekt, dass die zuerst geschlüpften Männchen auf den Bluff hereinfallen und versuchen, sie zu begatten und dabei die Pflanze bestäuben. Bis schliesslich die Weibchen schlüpfen und die Männchen merken, dass es auch Sexualtäuschblumen gibt. Wegen dieses filigranen Gleichgewichtes, plädieren Forscherinnen und Forscher dafür, natürliche oder naturnahe Gebiete zu erhalten oder wieder herzustellen. Wichtig seien offene arten- und strukturreiche Flächen, aber auch die Kenntnisse über ihre Bedeutung. Antonia Zurbuchen: „Wie sonst als mit mangelndem Wissen lässt sich erklären, dass so viele Menschen vor ihrem Haus öde Grünwiesen ohne Wert anlegen.“ Genauso wichtig ist es aber für sie, schon die Schulkinder auf die Bedeutung der Bienen aufmerksam zu machen.
Hochstamm-Obstbäume
Immer mehr Grünflächen werden verbaut und alte Obstgärten abgeholzt. Pro Natura und der Schweizer Vogelschutz fordern deshalb die Grossverteiler auf, mehr Hochstamm-Produkte in ihr Sortiment zu nehmen. Das wäre auch für die Bienenpopulation von grossem Wert.
Guido Schildknecht ist ein alter Hase, wenn es um Hochstamm-Obstbäume geht. Er hat die Zeiten erlebt, als noch auf jedem Mittagstisch ein Most stand, er hat gesehen, wie Limonade die Apfelsäfte verdrängt, wie Überschussproduktionen zu Fällaktionen führte, und er hat seinen Optimismus trotzdem nicht verloren. Selbst der Feuerbrand konnte ihn nicht zur Aufgabe zwingen. Bauer Schildknecht aus Mörschwil bei St. Gallen stellte fest, dass nicht alle seiner 50 Apfel- und Birnensorten gleich anfällig sind und dass ein Rückschnitt die Bäume retten kann.
Da stehen sie nun mit ihren dicken Stämmen, und Blüten die wie weisse Schaumkronen die Äste umspielen. Schildknecht nutzt die Zeit, um das Blütenwachstum zu prüfen. Dies war früher in der Ostschweiz, aber auch im Mittelland ein vertrauter Anblick. Doch es sind immer weniger Landwirte, die zur Schere greifen.
Die Zahlen zeichnen ein eindrückliches Bild: 1951 wurzelten noch 13 Millionen Hochstammbäume im Schweizer Boden, 1971 war schon die Hälfte gefällt und 2001 konnten die Bauern im Herbst gerade noch Obst von knapp drei Millionen Bäumen ernten. In dieser Zeit fielen stündlich 26 Bäume der Motorsäge zum Opfer. Es wurden doppelt so viele Bäume gefällt wie angepflanzt.
Seit der Jahrtausendwende hat sich die Situation zwar etwas stabilisiert, doch Umweltorganisationen fordern von den Grossverteilern, mehr für den Erhalt der bäuerlichen Landschaft zu tun.
Der Abbau von Exportsubventionen und Schutzzöllen, sowie Billiglinien der Discounter könnte die Existenz eines Teils der übrig gebliebenen Bäume gefährden. Der Rohstoff für Birnenwein, Trockenzwetschgen, Kirsch, Apfelessig und Most könnten bald von ausländischen Früchten verdrängt werden, vorausgesetzt, diese Produkte finden überhaupt den Weg in die Regale. Obst aus Hochstammanlagen ist in vielen Produkten enthalten, doch nur unter dem Label „Hochstamm Suisse“ sind ausschliesslich Früchte von Hochstammbäumen verarbeitet. Mehr noch: Mit einem Zuschlag könnten die Konsumenten einen aktiven Beitrag zur Rettung der Hochstammbäume leisten. Eine Umfrage von „Hochstamm Suisse“ ergab, dass die Mehrheit der Konsumenten dazu bereit wäre. Der Trend zu sortenreinen Produkten und Spezialitäten, die zuerst die Wein- und Bierproduktion erfasst haben, schwabt auch auf Obstbäume über. Die Hoffnung besteht also, dass sich das eine oder andere Trendgetränk aus Obst etabliert – dies wäre auch für die Bienenwelt ein Gewinn.
Ein abgerundeter Abfallsaft muss ein Gleichgewicht von Süsse, Säure und Aromastoffen haben. Das geht nur mit Hilfe einer Mischung. Stolz erzählt er, wie bei ihm Bäume stehen geblieben sind, nach denen lange niemand mehr gefragt hat. Heute sind sie wieder in Mode. Zu den für die Saftverarbeitung besonders geeigneten Sorten zählt Schildknecht Bohnäpfel, Boskoop, Hordäpfel und Engishofer Tobiässler.
Klassischer Hochstamm
Es ist allerdings gut möglich, dass die Safthersteller auf dem Schweizer Markt bald nicht mehr genügend Mostobst kaufen können, zumal viele Hochstammbäume überaltert sind und zum Beispiel im Kanton Zürich auf Bauland stehen. Eine Apfelknappheit bahnt sich nicht zuletzt deshalb an, weil der Konsum von Apfelsäften wegen Produkteinnovationen wieder ansteigt. Die Mostereien könnten schon heute Saftkonzentrat aus China beziehen, das kaum teurer wäre als ein Schweizer Produkt. Die Arbeit an Hochstammbäumen ist zeitintensiv, verlangt Geduld und beim Schneiden auch Fingerspitzengefühl. Zudem ist eine Obstanlage ist eine langfristige Investition. Es dauert 15 Jahre bis ein Hochstammbaum gute Erträge abwirft. Doch für einen Bauern, der wenig mit chemischen Spritzmitteln zu tun haben will, ist eine Hochstammkultur ideal.
Weil kaum gespritzt und selten gemäht wird, sind Obstgärten wichtige Ökosysteme für Pflanzen und Tiere. Zwischen den Bäumen in Schildknechts Garten flattern Blaumeisen, Kohlmeisen, Grünspechte, Kleiber und Fledermäuse. Aber auch Käfer, Spinnen und Igel und natürlich viele Bienen sind hier zu finden. In den Obstgärten leben 40 Brutvogelarten, ungefähr ein Fünftel der einheimischen Brutvögel. Darunter sind einige gefährdete Arten, die nur in diesem Ökosystem leben können und selten anzutreffen sind. Deshalb ist nicht der Erhalt einzelner Bäume, sondern die extensive Unternutzung eines ganzen Hochstamm-Obstgartens ökologisch von Bedeutung. In Hochstammkulturen gibt es eine zehnmal höhere Vielfalt als in einer Niederstamm-Plantage.